Verpackung im Kreislauf

Green Packaging: Warum weniger oft mehr wäre

Seit vergangenem März hat Swiss Recycle mit Rahel Ostgen und Viviane Pfister eine neue Co-Geschäftsleitung. Die beiden arbeiteten bereits zuvor beim Dachverband für Schweizer Recycling-Systeme, dem massgeblichen Akteur für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. packAKTUELL hat die beiden Co-Geschäftsleiterinnen zum Gespräch getroffen.

Viviane Pfister (links) und Rahel Ostgen (rechts) teilen sich die Geschäftsleitungvon Swiss Recycle.

Bild: Swiss Recycle

Zwei Frauen an der Spitze eines Verbandes in einer eher technisch geprägten Branche – hat das einen Einfluss auf die Zielsetzung und den Führungsstil ihres Verbandes?

Viviane Pfister: Die Geschlechterfrage war überhaupt kein Thema. Swiss Recycle suchte eine qualifizierte Leitung, wobei eine Co-Leitung von Anfang an ein Thema war. Rahel Ostgen und ich sind beide schon längere Zeit für Swiss Recycle tätig – als Leiterin Kreislaufwirtschaft beziehungsweise Leiterin Marketing / Kommunikation. Wir können so unsere unterschiedlichen Stärken und Erfah­rungen für eine optimale und breite Abstützung in die Geschäftsleitung einbringen. Wir pflegen einen intensiven Austausch, spiegeln aufkommende Themen rasch und effizient und kommen so zu einer agilen Entscheidungsfindung.

Schwerpunktthema dieses Hefts ist «Green Packaging» – ein Modewort oder eine konkrete Leitlinie?

Rahel Ostgen: Wir müssen Verpackung ganzheitlich und über den gesamten Lebenszyklus betrachten. Es kommt darauf an, dass wir Ressourcen schonen und Verpackung recyclebar und kreislauffähig sind. Green Packaging ist keine Material-, sondern eine Systemfrage.

Wie meinen Sie das?

Ostgen: Eine ganzheitliche Betrachtung der Thematik ist unerlässlich. Der gesamte Kreislauf muss mitgedacht werden – vom Design über die Produktion bis zum Einsatz von Rezyklaten.

Wo klappt das in der Schweiz besonders gut?

Ostgen: Zum Beispiel bei PET-Getränkeflaschen. Hier funktioniert der systemische Ansatz sehr gut.

Und wo gibt es (noch) Handlungsbedarf?

Ostgen: Bei Verpackungen beispielsweise, die nicht aus Monomaterial bestehen oder nicht nach den Design for Recycling-Guidelines konzipiert wurden. Oder bei solchen, bei denen der Materialeinsatz nicht optimiert wurde.

Die Schweiz gilt gerne als Recyclingweltmeisterin. Gleichzeitig gehört sie aber auch zu den Ländern mit der höchsten Verbrennungsrate von Abfall. Wie passt das zusammen?

Pfister: Wir raten davon ab, Sammel- und Verwer­tungs­quoten zwischen Ländern zu vergleichen. Oft werden da nämlich Äpfel mit Birnen verglichen und die Zahlen sagen nichts über die Qualität des Recyclings aus. Es stimmt aber schon: Gerade was Gemischtkunststoff betrifft, befindet sich ein effizientes Recycling-System erst im Aufbau. Mit RecyPac wurde eine Branchenorganisation geschaffen, mit dem Ziel, Plastikverpackungen und Getränkekartons im Kreislauf zu halten. Ostgen: Es geht nicht nur ums Sammeln und Recy­clen. Unser Ansatz beginnt früher – wir pushen den Sys­temgedanken und betrachten die Ganzheitlichkeit: Design for Cir­cularity und die Einbindung der Produzenten, das ist wichtig.

Warum müssen eigentlich die Konsumenten fürs Plastikrecycling bezahlen?

Ostgen: Plastik-Recycling ist sinnvoll. Damit es sich lohnt, müssen aber die Sammelmengen erhöht werden.

Das spräche ja genau für ein Gratisrecyclingsystem, wie zum Beispiel beim Glas oder Papier...

Ostgen: Wir haben in der Schweiz über die letzten 30 Jahre gewachsene Recyclingsysteme, die sehr gut verankert sind, sich aber unterschiedlich finanzieren. Auch Glas und PET sind nicht Gratissysteme, sondern werden beispielsweise beim PET durch einen vorgezogenen Recyclingbeitrag (vRB) finanziert. Dieser Beitrag wird beim Inverkehrbringen eines Produktes mit dem Kaufpreis erhoben, um die Kosten für die Sammlung und das Recycling zu decken. Recycling funktioniert nur im geschlossenen Kreislauf – nur hohe Qualität ergibt einen hohen Umweltnutzen. Die Sammlung, Verwertung und das Recycling von Gemischtkunststoff kann nicht nur durch den Materialerlös finanziert werden. Zudem wird bei diesen Verpackungen kein vorgezogener Recyclingbeitrag erhoben wie zum Beispiel bei PET-Getränkeflaschen. Deshalb wird eine grösstenteils nachgezogene Finanzierung in diesem Fall verfolgt und die Säcke für die Sammlung von Kunststoffverpackungen wie der RecyBag müssen gekauft werden.

Oft heisst es ja, die Konsumentinnen und Konsumenten müssten ihr Verhalten ändern. Aber liegt die Verantwortung nicht viel stärker bei der Industrie oder bei der Politik?

Ostgen: Alle tragen Verantwortung. Die Produzenten sind für das Produktedesign verantwortlich, die Politik für die Rahmenbedingungen und die Konsumierenden für ihre Kaufentscheidungen. Damit der Kreislauf funktioniert, reicht es nicht aus, dass nur ein Player aktiv ist. Für eine nachhaltige Lösung braucht es alle.

Welche Hebel würden Sie in Bewegung setzen, um das Verpackungsrecycling in der Schweiz auf das nächste Level zu bringen?

Pfister: Mit der Annahme der Motion Dobler ist die Einführung einer flächendeckenden Sammlung für Gemischtverpackungen vorgesehen. Das ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zudem sind Design-Guidelines für Verpackungen förderlich, damit sie optimal für die Wiederverwertung produziert werden können und das Material im Kreislauf gehalten werden kann.

Würden Sie ein Verbot bestimmter Materialien befürworten?

Ostgen: Nein, das wäre nicht der richtige Weg. Es gibt nicht das eine Material, das besser als das andere ist. Es kommt immer auf die Anwendung an. Papier und Karton in Verbund­verpackungen zum Beispiel sind fürs Recycling sehr schwierig. Da weist eine Monoverpackung aus Kunststoff teilweise eine bessere Ökobilanz auf. Wichtig sind ganzheitliche, wissen­schaftlich basierte Entscheidungen.

Swiss Recycle organisiert jährlich einen Recycle Day und hat vor drei Jahren den Recycling-Award – neu: Circular Award – wiederbelebt. Wer oder was wird damit ausgezeichnet?

Pfister: Mit dem Preis wird jährlich ein Best-Practice-Lösungsansatz in den Bereichen Separatsammlung, Logistik, Verwertung, Sensibilisierung und/oder Kreislaufwirt- schaft ausgezeichnet. Von allen Einsendungen nominiert eine Fachjury drei für das Final am 30. Januar 2026 in Biel. Dort erhalten die Nominierten dann die Möglichkeit, ihre Idee zu pitchen. Die Anmeldefrist für den nächstjährigen Preis läuft übrigens noch bis am 26. September!

Autor: Michel Bossart